17.08.2022, 15:38 Uhr

Bei der Suche nach den Ursachen des Fischsterbens in der Oder deutet sich ein Ergebnis an: Möglicherweise ist eine Mikroalge schuld. Diese kann sich aufgrund des hohen Salzgehalts des Wassers schnell ausgebreitet haben. Dies wirft auch bei den deutschen Behörden Fragen auf. Bei ihrer Suche nach der Ursache für das Massenfischsterben in der Oder haben die Forscher auch eine giftige Algenart im Blick, die im Fluss schnell gewachsen ist. Inzwischen sei auch die Mikroalge Prymnesium parvum nachgewiesen worden, sagte Gewässerökologe Christian Wolter. “Die Art ist dafür bekannt, gelegentlich Fischsterben zu verursachen.” Ob das Algengift die Ursache für das Fischsterben in der Oder ist, ist noch unklar. Der Forscher am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei betonte, ob in diesem Fall Giftstoffe produziert wurden. Er sprach von einer massiven Algenblüte von 200 Mikrogramm pro Liter und mehr als 100.000 Zellen pro Milliliter Wasser. Für den Menschen ist das Algengift jedoch ungefährlich. Die Algenart lebt eigentlich im Brackwasser, beschrieb Wolter. Dies geschieht normalerweise in Flussmündungen, in denen sich Süß- und Salzwasser vermischen. Aber in einer salzhaltigen Umgebung können sie gut wachsen, sagte der Gewässerökologe. Außerdem brauchen Algen hohe pH-Werte. „Als Brackwasserart wäre es sonst keine massive Entwicklung in der Oder.“ Für den Fachmann besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Salzeintrag und Algenwachstum. Er persönlich glaube nicht an einen Unfall, sagte Wolter. Die kürzlich vom “Spiegel” veröffentlichten Ergebnisse passen zu Wolters Hypothese. Demnach hätten sich bereits Anfang August wichtige Messwerte in der Oder geändert, das Brandenburgische Umweltamt (LfU) sei aber lange untätig geblieben. Dies gilt insbesondere für die elektrische Leitfähigkeit – ein Indikator dafür, wie viel Salz in Wasser gelöst ist. Der Wert am 1. August betrug 1300 Mikrosiemens pro Zentimeter und stieg in den folgenden Tagen – 1400 am 2. August, 1700 am 5. August – bis er am 6. August 2000 Mikrosiemens erreichte. Laut Wolf von Tümpling, Leiter der Abteilung Wasseranalytik und Chemimetrie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, deutet dies darauf hin, dass Salze im Wasser sind, die in dieser Konzentration nicht hingehören.

Brandenburg hält an Werten fest – und tut nichts anderes

Die brandenburgischen Behörden taten laut Spiegel zunächst wenig mehr, als die Preise weiter zu beobachten. Dies wurde dem Magazin von einem Vertreter des Ministeriums bestätigt. Die Öffentlichkeit wurde erst am 10. August informiert. damals tauchten in der Oder massenhaft tote Fische auf. Zwei weitere Tage später wurden offizielle Schwimm- und Angelverbote erlassen. Obwohl es einen 46-seitigen „Internationalen Oder-Warn- und Warnplan“ gibt, haben sich weder deutsche noch polnische Behörden daran gehalten. Gerade letztere standen von Anfang an im Fokus der Kritik. Doch das Frühwarnsystem auf deutscher Seite soll nicht rechtzeitig funktioniert haben. Denn die Messstationen, unter anderem in Frankfurt an der Oder und eine weitere in Hohenwutzen nahe der deutsch-polnischen Grenze, sind eigentlich dazu da, Arbeitsunfälle aufzuspüren. Das Messnetz trägt dazu bei, dass die Auswirkungen von Störfällen „frühzeitig erkannt und schnell gehandelt“ werden können, heißt es auf der Website des Landesumweltamtes. Auch „illegales Ablassen von Altöl aus Autos“ wird durch die Messungen schnell erkannt. Das größte Fischsterben seit Jahrzehnten ist jedoch offenbar durch das Raster gerutscht.

Lesungen schwer zu interpretieren

Offenbar wurden die Werte beim LfU zunächst als unproblematisch eingestuft – oder zumindest nicht problematisch genug, um Maßnahmen zu ergreifen. „Seit vielen Jahrzehnten kommt es in der Oder zu erhöhten Salzkonzentrationen – ohne dass es zu Fischsterben kam“, verteidigt ein Sprecher des Umweltministeriums. Ein Anstieg der Kurven für Leitfähigkeit, Sauerstoffgehalt und Chlorophyll „war für sich noch nicht interpretierbar“. Tatsächlich weisen Experten auch darauf hin, dass Messwerte aus der Oder schwer zu interpretieren seien, auch weil die Ursache des Fischsterbens noch unklar sei. Eine Zunahme von Sauerstoff und Chlorophyll zum Beispiel steht auch im Einklang mit einer Algenblüte, die normalerweise im Sommer auftreten kann. Dies gilt jedoch nicht für die elektrische Leitfähigkeit. Und seit Anfang August ist dieser Parameter an beiden genannten Messstationen stark gestiegen. Wenige Tage später schossen auch die Preise, die während einer Algenblüte entstehen, in die Höhe. Ein Anruf bei polnischen Kollegen oder ein Blick in die polnischen Zeitungen hätten klären können, was in Deutschland bevorstand, kommentiert der „Spiegel“: Am 6. August, als die Leitfähigkeit die Messlatte überstieg, trugen polnische Helfer rund zehn Tage lang tote Fischkadaver ab ihre Ufer. Es ist völlig unklar, ob das Fischsterben hätte verhindert werden können, wenn früher gehandelt worden wäre. Zumindest hätte die Bevölkerung früher gewarnt werden können.