Autor: Eine Analyse von Urs Leuthard
Fast ein Jahr nach Beginn der Unterschriftensammlung wurde heute die Stop F-35-Initiative eingereicht. Damit haben die Initianten zwei Drittel der maximalen Erhebungsdauer für Volksinitiativen (18 Monate) ausgeschöpft. Sie fordern nun aber, dass Bundesrat und Parlament die Initiative in einem Bruchteil der maximal möglichen Fristen vorantreiben. Konkret: Der Bundesrat hätte eigentlich 12 Monate Zeit, um eine Botschaft vorzubereiten. nach Angaben der Kampfjet-Gegner soll dies innerhalb einer Woche (bis 24. August) geschehen. Und das Parlament, das per Gesetz 30 Monate Zeit hat, sich mit der Initiative zu befassen, wird bis zum Ende der Herbstsession – in etwa sechs Wochen – Zeit haben, über das Thema zu debattieren. Dass sich das Initiativkomitee auf ein Votum von 1952 (!) bezieht, um ein Beispiel für eine solch schnelle Reaktion zu finden, spricht nicht gerade für eine vereinfachte Aufgabe.
Es gibt keinen politischen Willen, schnell zu handeln
Konkret heißt das: Ja, es ist theoretisch möglich, die Stop-F-35-Initiative unter die Leute zu bringen, bevor das Angebot des US-Kampfjetherstellers im Frühjahr 2023 ausläuft. In der Praxis erfordert das allerdings eine geballte Ladung des politischen Willens von Bundesrat und Parlament – und die wird es wohl kaum geben. Während der Sommersession beantragte der Ständerat die schnellstmögliche Unterzeichnung des Kaufvertrags. Auch der Nationalrat dürfte im September nachziehen. Und was die zuständige Bundesrätin Viola Amherd von der Initiative hält, hat sie bereits auf weniger subtile Weise kundgetan, als sie die Initianten öffentlich zum Rückzug aufforderte. Das Initiativkomitee selbst ist mitverantwortlich für den fehlenden politischen Willen, das Thema schnell anzugehen. Eine Initiative vorzubringen, die dieses Referendum weniger als ein Jahr nach einem positiven Referendum (Bereitstellung von 2020 Kampfjets) kippen will, ist demokratiepolitisch gelinde gesagt schwierig. Und dass die Abgabe von Unterschriften mehrfach verschoben wurde, obwohl bei der SP, den Grünen, der GSoA und anderen Organisationen, die sich in Eigeninitiative erprobt hatten, genügend Wahlkampfmacht vorhanden war, nährte den Verdacht, dass es dem Gremium mehr Sorgen mache damit, das Thema politisch auf die Tagesordnung zu setzen, um es zu halten.
Die Bedrohungslage in Europa hat sich radikal verändert
Aber vor allem das Weltgeschehen behinderte das Initiativkomitee. Die Pandemie hat das Sammeln von Unterschriften zumindest anfangs erschwert, und der Krieg in der Ukraine hat die Bedrohungslandschaft in Europa so grundlegend verändert, dass fast niemand der Stop-F-35-Initiative eine Chance gibt. Auf eine überraschende Parallele in diesem Zusammenhang machte das Online-Magazin Republic am Dienstag aufmerksam. 1992 startete die GSoA die Initiative Stop F/A-18, die ein Moratorium für den Kauf von Kampfflugzeugen forderte. In einem Monat wurden rekordverdächtige 500.000 Unterschriften gesammelt, Umfragen prognostizierten einen klaren Wahlsieg. Dann kam der Bosnienkrieg, Kampfjets wurden plötzlich gefragt und die Welt zerstörte die Initiative 1993 teilweise. Aus diesem Grund rieten die damaligen Spitzenpolitiker der Initiative, die aktuelle Initiative zurückzuziehen oder in eine Petition umzuwandeln. Dass nun auch aus dieser Richtung Kritik kommt, sollte SP, Grünen und GSoA zu denken geben. Wenn sich die rüstungskritische Linke anmaßt, für die Initiative der Zeit zu werben (wie ihr immer wieder vorgeworfen wird, bürgerlich zu sein), dann kann der Schuss nach hinten losgehen.
Urs Leuthard
Leiter der Bundestagsredaktion von TV SRF
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Ab Sommer 2020 leitet Urs Leuthard die Redaktion Bundeshaus beim Fernsehen SRF. Er koordiniert seit 2002 das „Voting Studio“ und analysiert Wahlen und Abstimmungen. Bis 2008 war er Moderator und Chefredaktor der «Arena», wechselte danach zur «Rundschau», bevor er 2012 die redaktionelle Leitung der «Tagesschau» übernahm. Seit 2016 leitet Urs Leuthard die Redaktionsentwicklung beim Fernsehen SRF.