In einer Dringlichkeitssitzung hat die Fraktion der Grünen im Kreistag Mitte (BVV) dafür gestimmt, von Dassel zum Rücktritt aufzufordern. Wenn der Bezirksbürgermeister dem nicht freiwillig nachkommt, will der Caucus einen Antrag stellen, gegen den Antrag einer anderen Fraktion auf Briefwahl zu stimmen oder ihn zu unterstützen. Die Mehrheit hat dafür gestimmt. Am Dienstagnachmittag äußerten sich Caucus und Regionalrat erstmals öffentlich zu dem Prozess. Man werde nun laut einer Pressemitteilung “mit Herrn von Dassel” über das Ergebnis der Abstimmung sprechen. Später am Abend beschloss die Mitte der SPD-Fraktion in einer Sondersitzung, von Dassel zum Rücktritt aufzufordern. SPD und Grüne stellen den Bezirksbürgermeister in einer Volkszählungsgemeinde. Für den Fall, dass der Bürgermeister nicht zurücktritt, hat der Caucus beschlossen, gemeinsam mit dem Gemeindepartner der Volkszählung ein Abstimmungsverfahren einzuleiten oder einen Entlassungsantrag zu unterstützen, heißt es in einer Pressemitteilung des Caucus. Sie habe sich nach Angaben der SPD-Fraktion in zwei außerordentlichen Sitzungen intensiv mit den Beschwerden befasst und Dassel Gelegenheit gegeben, sich persönlich zu den Beschwerden zu äußern. „Er gab tatsächlich ein Fehlverhalten zu und erklärte seine Beweggründe für das, was wir als inakzeptables Angebot einer privaten Ansiedlung in einem Rekrutierungsverfahren für den Distrikt betrachteten. Seine Ausführungen reichten jedoch nicht aus, um das notwendige Vertrauen in die Wahrnehmung seiner Aufgaben wiederherzustellen“, sagten die Vorsitzenden der beiden Fraktionen Susanne Fischer und Dorothea Riedel. [Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.] Die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) machte am Dienstag deutlich, dass die Vorwürfe nicht trivial seien. „Aufgrund der von Herrn von Dassel vorgelegten Unterlagen kann nicht ausgeschlossen werden, dass er seine Dienstpflichten als Beamter des Landes Berlin verletzt hat. Das bedeutet, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens obligatorisch ist“, sagte er.

Einflussreiche Vereinsanhänger in der Gegend

Von Dassel ist dem Ende seiner politischen Karriere im Bezirk Mitte näher denn je. Doch sein Ende ist noch nicht besiegelt. Trotz der Vorwürfe gegen ihn kann der Bezirksbürgermeister in seinem Kreisverband auf wichtige Unterstützer zählen. Noch vor der Sitzung der Bundestagsfraktion am Montag hatte der Vorstand der Region Mitte eine innerparteiliche Stellungnahme verfasst. „Wir begrüßen das einvernehmliche Vorgehen des Bezirksbürgermeisters und des Regierenden Bürgermeisters, ein mögliches Fehlverhalten durch Einleitung eines Disziplinarverfahrens in der Senatskanzlei neutral aufzuklären“, heißt es in dem Beschluss, der dem Tagesspiegel vorliegt. Es sei nun “ein Verfahren nach dem Dienstleistungsgesetz, dessen Ausgang abgewartet wird”.

Vertrauen ist nicht mehr gegeben

Der Vorstoß sollte das Team auf eine Linie bringen – doch er scheiterte. Nach einer dreistündigen Sitzung stimmten die Mitglieder mit einer knappen Mehrheit von acht zu sechs bei drei Enthaltungen gegen ihren Bezirksbürgermeister. Ausschlaggebend für den Rücktrittsantrag ist eine SMS von Dassells an einen Kläger im Einstellungsverfahren, die Ende letzter Woche öffentlich wurde. Es deutet, wie berichtet, darauf hin, dass der örtliche Bürgermeister bereit wäre, privates Geld zu zahlen, um seinen Wunschkandidaten zu fördern. Der Fall habe “verrückten Beigeschmack”, sagt die Fraktion. Das Vertrauen ist weg. Der heutige Fall ist offenbar nur der Auslöser dafür, dass ein noch viel tiefergehender Streit beim Kreisklub erneut eskaliert. Die Grünen in Mitte sind seit Jahren tief gespalten. Neben den eher linken „Bunt-Grün“-Gruppierungen und der Grünen Jugend wird der Kreisverband von zwei Realo-Strömungen dominiert – die wiederum in heftigem Konflikt stehen.

tiefe Gräben

Bisheriger Höhepunkt dieses Streits waren die Fraktionen für die Kommunalwahl 2020. Damals einigte sich der gemäßigtere Flügel von Realo mit den „Bunt-Grünen“: Reala Hannah Steinmüller sollte Direktkandidatin für den Bundestag werden mit seinen Stimmen und Tilo Siewer der grüne Bürgermeisterkandidat in Mitte. Doch in der entscheidenden Abstimmung im Poststadion in Moabit schlug von Dassel seinen Herausforderer knapp in einer Kampfabstimmung. Später soll der frühere Abgeordnete Özcan Mutlu mit 40 Mitgliedern aufgetaucht sein, die zuvor noch nie aktiv gewesen waren, und von Dassel gerettet haben. Bei der Absage von von Dassel spielte laut Fraktion auch der Fall aus dem Poststadion eine Rolle. Timur Ohloff soll damals einer von Mutlus Unterstützern gewesen sein. Der “Radikale Realo”, wie die Mitglieder der bürgerlicheren Strömung intern genannt werden, organisierte später den Wahlkampf für von Dassel. Er sitzt auch im Vorstand des Grünen Zentrums. Im vorliegenden Fall ist er in zweierlei Hinsicht involviert: Ohloff erhielt zunächst die hochbezahlte Stelle im Bezirksamt Mitte, von der aus von Dassel verhindern wollte, dass der unterlegene Konkurrent ihn mit einer Geldzahlung verklagt. [Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über Berlins wichtigste Nachrichten und größte Aufreger. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de] Jetzt kostenlos bestellen In jedem Fall wird der Bezirksbürgermeister eine Abstimmung beantragen. CDU und FDP in der Region kündigten am Montag an, zur Antragstellung werde eine Sondersitzung des BVV einberufen. Trotz der Abstimmung am Montag ist unklar, wie die Grünen abstimmen werden. Nach Angaben der Partei ist es möglich, dass Mitglieder, die innerhalb der Fraktion für den Rücktritt gestimmt haben, dies auch im BVV tun werden. Der Rest könnte weiterhin bei von Dassel bleiben. Wie sich die SPD verhalten wird, ist unklar. Die Grünen-Spitze schweigt. Die Staatspräsidenten Susanne Mertens und Philmon Ghirmai wollten sich auf Tagesspiegel-Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Die frühere Top-Anwärterin Bettina Jarasch sagte trotz Nachfrage nichts.