In der Debatte um eine mögliche Strompreisbremse fordert der Salzburger und frühere Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde Theodor Thanner eine grundlegende Reform des Strommarktes.  Thanner spricht sich gegen das bisherige Wertschöpfungsprinzip aus, wonach das teuerste Kraftwerk den Strompreis bestimmt.          
     16.08.2022 18.31       
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Der Nettostrompreis kennt derzeit nur eine Richtung, und zwar nach oben. Die Regierung diskutiert seit einiger Zeit über eine Strompreisbremse. Aber laut dem ehemaligen Chef der Bundeswettbewerbsbehörde, Theodor Thanner, gibt es überhaupt keinen Strommarkt: „Im Energiebereich haben wir sehr, sehr begrenzten Wettbewerb und deshalb ist der Markt kein echter Markt.“ Europaweit wird der Strompreis derzeit nach dem Value-Order-Prinzip berechnet – die teuerste Einheit der Stromerzeugung gibt den Preis vor. Gaskraftwerke sind wegen des Krieges in der Ukraine am teuersten. Für den ehemaligen Wettbewerbshüter ist das ein klassisches Kartell: „Für dieses Prinzip gibt es offensichtlich keine gesetzliche Grundlage. Das bedeutet aber auch, dass ich von diesem Grundsatz abweichen kann. Wir müssen nur auf unser Nachbarland Schweiz schauen – dort gilt das Prinzip nicht“, kritisiert Kartellexperte Theodor Thanner.

Österreich: Nur 16 Prozent des Stroms werden aus Gas erzeugt

In der Schweiz wird der Strompreis unabhängig vom Erdgaspreis berechnet. Laut Thanner handelt es sich um einen regulierten Markt. Denn Wettbewerb findet erst ab einer bestimmten Kilowatt-Grenze wirklich statt“, sagt der Wettbewerbswächter. Der Strompreis in der Schweiz setzt sich aus den Gestehungskosten und den Marktkosten zusammen. Wenn der Strompreis in Europa nach dem Schweizer Prinzip berechnet würde, wäre er laut Thanner deutlich günstiger. Das Schweizer Preismodell sieht vor, dass zuerst die Stromgestehungskosten und erst danach die exakten Marktpreise verrechnet werden. In Europa hat Strom aus Gas einen Anteil von rund 18 %. In Österreich sind es 14 Prozent.

Kritik: Der Erdgaspreis wird auf den gesamten Strom umgelegt

Die restlichen über 80 Prozent des Stroms stammen aus anderen Quellen. Momentan wird jedoch der gesamte Strom zu einem Preis verkauft, als wäre er mit Erdgas erzeugt worden. Daher wurden bereits erste Klagen gegen Energieversorger wie den Verbund eingereicht. Doch solange die leistungsabhängige Anordnung besteht, brauchen Verbraucher, Unternehmen und Industrie laut Kartellrechtsexperte Thanner einen Schutzschirm, um den Winter wegen gestiegener Energiekosten zu überstehen.

Experte kritisiert heimischen Strommarkt