Kohlekraftwerke sollen während der Erdgaskrise die Stromversorgung absichern und ins Netz zurückspeisen. Aber viele Pfähle sind noch in Reserve. Es gibt viele Dinge, die Ihren Neustart verhindern.
Mächtig und grau ragt der Kühlturm des Kraftwerks Bexbach hinter einigen Bäumen hervor. Der Kondensstreifen eines Flugzeugs erstreckt sich über seine gesamte Spannweite. Sonst ist der Himmel blau. Aus dem Kühlturm tritt kein Wasserdampf aus. noch Rauch aus dem Schornstein nebenan. Das mit 726 Megawatt leistungsstärkste Steinkohlekraftwerk des Saarlandes ist noch im Netzbestand.
Das Kraftwerk hätte der Energiekonzern STEAG gerne schon längst wieder auf den Markt gebracht. Seit dem 14. Juli erlaubt es auch eine Verordnung der Bundesregierung. Um in der Energiekrise Erdgas einzusparen, dürfen Kohlekraftwerke aus der sogenannten Netzreserve wieder in Betrieb gehen. Doch kaum ein Energieversorger nutzt das Angebot.
Viele Fragen sind noch offen
In der Praxis seien noch viele Details unklar, erklärt Michael Lux, Leiter des Kraftwerks in Bexbach. Wenige hundert Meter hinter dem Kühlturm wird das Problem deutlich: Zwischen dem Maschinenhaus und einem kleinen Hügel liegt das Kohlelager des Kraftwerks – ein mehrere hundert Meter langes und breites Feld, das an einen Braunkohletagebau erinnert. Am Feldrand wartet ein grüner Schaufelradbagger auf seinen Einsatz. daneben ein Gummiförderband. Rund 180.000 Tonnen Kohle können am Standort gelagert werden, eine Versorgung für 30 Tage. Aber im Moment gibt es nur einen Bruchteil davon.
Wie die Kohle vom Rotterdamer Hafen nach Bexbach kommt, weiß Lux noch nicht. Einerseits gibt es das Problem der Trockenheit, was dazu führt, dass der Rhein einen niedrigen Wasserstand hat und Schiffe nicht voll beladen fahren können. Andererseits ist der Transport von Kohle auf dem Landweg nur eingeschränkt möglich.
Logistikanbieter wie DB Cargo haben laut Lux nur sehr wenige Waggons, Lokomotiven und Personal. In den letzten Jahren wurden Produktionskapazitäten immer wieder reduziert und verlagert. Zudem wird die Schieneninfrastruktur in Deutschland vielerorts saniert. Laut Lux sind viele Strecken daher nicht vollständig verfügbar. Selbst bei vollem Kohlelager müssten im laufenden Betrieb sechs Züge pro Woche neue Kohle anliefern – eine logistische Herausforderung, die derzeit nicht bewältigt werden kann.
Auch Probleme mit der Finanzierung
Abgesehen von der Problematik, wie die im Ausland gekaufte Kohle nach Bexbach gelangt, sind weitere Details noch offen: etwa die Frage, wie der Brennstoff bezahlt werden soll. Mitte August kostet eine Tonne Steinkohle auf dem Weltmarkt etwa 325 US-Dollar.
Um das Lager in Bexbach zu füllen, müsste STEAG 180.000 Tonnen Kohle zukaufen. Er wurde auf 325 Euro umgerechnet, was den Konzern fast 60 Millionen Euro gekostet hätte – eine Summe, die der Energieversorger einfach nicht aufbringen kann. STEAG benötigt daher eine Vorfinanzierung.
Auch wo die Kohle ist, ist noch offen
Ein weiteres Problem besteht laut Lux darin, dass nicht klar ist, was mit der Kohle passiert, wenn sie nicht verwendet wird. Theoretisch könnte es passieren, dass STEAG ein Großteil der teuer eingekauften Kohle übrig bleibt: ein finanzieller Alptraum für das Unternehmen. Zur Klärung all dieser offenen Fragen befindet sich STEAG derzeit in Gesprächen mit der Bundesnetzagentur und den Übertragungsnetzbetreibern.
Lux ist zuversichtlich, dass Antworten gefunden werden. Allerdings: Erst dann entscheidet der Energieversorger, ob er mit seinen Kraftwerken an den Markt zurückkehrt oder nicht. Es könnte also noch einige Zeit dauern, bis vom Kraftwerk über dem Kühlturm in Bexbach abgesehen von den Kondensstreifen wieder Dampf austritt.
Kohle oder Atom – Energiekrise und Klimaschutz
Martin Polansky, ARD Berlin, 25.7.2022 18:06 Uhr