Die Bild-Zeitung zitiert aus dem Beschlussvorschlag von Ratsvorsitzende Friederike von Kirchbach: „Die Kündigung erfolgt aus Gründen in der Person von Frau Schlesinger, die eine außerordentliche Kündigung des Dienstvertrags durch den RBB rechtfertigen würden.“ Hauptgrund für den Rauswurf ist ein privates Abendessen mit der Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik in Schlesingers Wohnung, für das er den Fernsehsender bezahlt hat.
Fall RBB: Ex-Intendant Schlesinger verliert weitere Stelle
Damit nicht genug: Erst wenige Stunden zuvor waren aufgrund der vielen Beschwerden gegen Schlesinger weitere persönliche Konsequenzen bekannt geworden. Demnach verliert die 61-Jährige auch ihren Posten im Aufsichtsrat ihrer Filmtochter ARD Degeto. „Der jetzige RBB-Geschäftsführer Hagen Brandstätter hat Frau Schlesinger als Aufsichtsratsmitglied der Degeto abberufen“, teilte die Degeto Film GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Brandstätter, der nach seinem Rücktritt vor einer Woche die Leitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) übernahm, hatte dem RBB-“Medienmagazin” am Samstag zuvor gesagt, er habe am Freitag einen Brief unterschrieben, dass dieser nicht länger aufbewahrt werde. Schlesinger leitete zuvor den Aufsichtsrat. Die Degeto ist eine ARD-Gemeinschaftseinrichtung, die beispielsweise für Fantasy-Serien und Spielfilme zuständig ist.
Die Schlesinger-Affäre stürzt den RBB in eine tiefe Krise
Der 61-Jährige sieht sich seit Wochen mit zunehmenden Vetternwirtschaftsvorwürfen konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie, ihren Ehemann und ehemaligen Spiegel-Journalisten Gerhard Spörl sowie den zurückgetretenen RBB-Chefprüfer Wolf-Dieter Wolf wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsnahme. Auch eine externe Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei ist im Gange, die Ergebnisse liegen aber noch nicht vor. Der Fall stürzte den RBB in eine tiefe Krise, die auch den Ruf des gesamten öffentlich-rechtlichen Senders in Deutschland beschädigte. Der Berg der Vorwürfe gegen sie wächst weiter. Das Online-Medienunternehmen Business Insider, das die Geschichte Ende Juni veröffentlichte, berichtete am Samstag, dass es vor den Sitzungen des Ausschusses geheime Absprachen gegeben habe, über die kein Protokoll geführt worden sein soll. Außerdem soll es neben den Jahresberichten des Senders vertrauliche Sonderberichte geben, auch Schlesingers gesamtes Gehalt soll in einem Dokument aufgeführt werden. Bisher hält der Sender die Höhe der Bonuszahlungen für das Führungsteam unter Verschluss.
Im RBB-Fall steht eine große Woche an
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt im Sog der Krise um den zurückgetretenen RBB-Intendanten unter Druck. Im Vorfeld einer geplanten Sondersitzung des Rundfunkrates zum Rücktritt von RBB-Intendant Schlesinger sind die Rufe nach Reformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk laut geworden. Aus Politik und Expertenkreisen kamen am Wochenende Forderungen nach Transparenz, mehr Qualitätsprogrammen und einer besseren Kontrolle der Medien und ihrer Ausgaben. Der Prüfungsausschuss des RBB will sich am Montag zu einer Sondersitzung zur geplanten Vertragsauflösung von Schlesinger treffen, die vor einer Woche nach Vetternwirtschaftsvorwürfen ihren Rücktritt bekannt gab. CDU-Chef Friedrich Merz forderte in den aktuellen Badischen Nachrichten (Samstag) unter anderem die Offenlegung von Gehältern und Bezügen von Führungskräften bei Produktionsfirmen und eine verstärkte Zusammenarbeit von ARD und ZDF. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Hasselof (CDU) forderte mehr Transparenz, ein ausgewogenes und qualitativ hochwertiges Programm sowie wirtschaftliches und finanzielles Handeln im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dies erfordere grundlegende Veränderungen, sagte er der Welt (Samstag). Nur so kann eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht werden. Nordrhein-Westfalens Medienminister Nathanael Liminski (CDU) betonte, dass die begonnenen Reformen für ein gutes und bezahlbares Angebot zügig fortgesetzt werden sollten. Dazu bereiten die Länder derzeit einen Medienwechselvertrag vor, der weitreichende Reformen von allen öffentlich-rechtlichen Sendern verlange, sagte er der Düsseldorfer Rheinischen Post (Samstag). Der Vertrag erweitert unter anderem die Befugnisse der Aufsichtsbehörden.
fordert weitere Rücktritte
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk brauche “dringend, sofort” neue Strukturen, betonte die frühere NDR-Rundfunkdirektorin Lea Rosh in einem Leserbrief des Berliner Tagesspiegels (Sonntag). Auch Rundfunkrat und Vorstand des RBB sollten “sofort zurücktreten”, forderte Ross, der von 1991 bis 1997 Intendant des NDR in Hannover war. Beide Gremien genehmigten die Ausgaben des Senders, darunter eine 16-prozentige Erhöhung des Schlesinger-Gehalts auf 303.000 Euro. Gleichzeitig wird für das Programm und für Freelancer gespart. Medienwissenschaftler Ralf Schnell, der von 2009 bis 2021 im Rundfunkvorstand des WDR war, machte die Kontrollorgane des RBB für Versagen verantwortlich. Die Frage sei, ob der Rundfunkrat seine Kontrollmöglichkeiten im Fall Schlesinger überhaupt genutzt habe, betonte Schnell im Berliner Tagesspiegel (Sonntag). Die Ausschüsse sind gegenüber der Geschäftsführung des Senders nicht schwach gestellt. Allerdings sollten sie ihre Aufgaben auch sorgfältig erfüllen. Der Präsident des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, forderte den RBB-Rundfunkrat auf, bei der Vertragsauflösung von Schlesinger nicht vorschnell zu handeln. Eine fristlose Kündigung sei “auf jeden Fall der beste Weg”, schrieb Überall im Tagesspiegel (Sonntag). Allerdings müsse der Ausschuss sehr genau darauf achten, “welche Zahlungsverpflichtungen aus Bürgerbeiträgen noch entstehen”. Ob Schlesingers Vorgehen eine fristlose Kündigung rechtfertigt, ist rechtlich offen.