Frankreichs Verfassungsrat hat der Abschaffung der Rundfunkgebühren zugestimmt. Sie hat der Regierung jedoch strenge Auflagen auferlegt, um die Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter zu gewährleisten. Von Stefanie Markert, ARD Studio Paris
Frankreichs Verfassungsrat, der Conseil Constitutionnel, macht keine Sommerpause – er hat nun nicht nur ein 20-Milliarden-Euro-Kaufkraftpaket, sondern auch den Nachtragshaushalt 2022 in einer Ankündigung gebilligt. Dazu gehört die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Jetzt ist es also verfassungsgemäß.
Der Rat begründet seine Entscheidung: Der Gesetzestext missachte nicht die Anforderungen des Artikels 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789.
Darin heißt es: „Die freie Meinungsäußerung ist eines der wertvollsten Menschenrechte. Daher darf jeder Bürger unter Haftung für den Missbrauch dieser Freiheit in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen frei schreiben, sprechen und drucken.“
Regierung und Opposition sehen sich bestätigt
Ein Sieg für die Regierung, Premierminister Bourne feiert die Entscheidung. 138 Euro mehr pro Jahr an jeden Haushalt mit Fernseher, der nicht wie die Ärmsten der Gesellschaft von der Abgabe befreit ist. 38 Cent am Tag – ein echter Kaufkraftgewinn bei einer Inflation von über sechs Prozent?
Allerdings hat die Opposition etwas erreicht. Denn der Verfassungsrat hat klare Regeln aufgestellt und bestimmt, dass er als eine Art Richter fungieren wird, um sicherzustellen, dass sie eingehalten werden.
Eine Aufhebung, so die Kommission, könne die Finanzierungsquellen des öffentlich-rechtlichen Senders und damit einen Teil seiner Unabhängigkeit gefährden. Daher zwangen die Weisen, les sages, wie sie in Frankreich genannt werden, den Gesetzgeber, die Höhe der Einnahmen im Voraus festzulegen, damit die betreffenden Medien die ihnen übertragene öffentliche Aufgabe erfüllen konnten.
Das Budget bleibt gleich
Doch der Verfassungsrat hat zwei Vorbehalte: Für 2022 müssen die Finanzzuweisungen, die nun aus einem Teil der Umsatzsteuer kommen, so hoch sein wie die Rundfunkgebühreneinnahmen desselben Jahres. Im Prinzip ist das so – das Gesetz nennt für das nächste Jahr 3,7 Milliarden Euro. Und für 2023 und 2024 muss die Höhe im Haushaltsgesetz festgelegt werden.
Mehr als 120 Abgeordnete des größten Oppositionsbündnisses im Bundestag NUPES mit linken Außenpolitikern der Grünen und sozialdemokratischen Senatoren hatten den Verfassungsrat aufgerufen, weil die alternative Finanzierung durch einen Teil der Mehrwertsteuer den öffentlich-rechtlichen Sendern kein Budget beschere Sicherheit.
Ab 2025 darf die Mehrwertsteuer, die nun wie andere Steuern vorübergehend der Finanzierung dient, nicht mehr anders als gesetzlich verwendet werden. Das Präsidentenlager hat uns bereits versichert, dass die Mehrwertsteuer aus diesem Grund nicht erhöht wird.
Sie wird durch einen Staatsvertrag sichergestellt
Die Rundfunkgebühr war die Haupteinnahmequelle für Radio France, France Télevisions, für Auslandsangebote wie TV 5 Monde, für das Radioarchiv INA, für Orchester und Chöre oder für das Projekt mit Deutschland ARTE. Diese hing auf französischer Seite zu 95 Prozent vom Rundfunkbeitrag ab, ist aber durch einen Staatsvertrag garantiert.
Bis heute haben 23 Millionen Haushalte Rundfunkgebühren bezahlt. In Frankreich besteht sie seit 1933. Ihre Abschaffung war ein Wahlkampfversprechen des im April wiedergewählten Präsidenten Emmanuel Macron – ein Erfolg für ihn.
Die Abschaffung der Gebühren wurde Ende Juli von der Nationalversammlung und Anfang August vom Senat beschlossen. Sie brachte in diesem Jahr mehr als 3,1 Milliarden Euro ein, nicht die Hälfte davon kam aus Deutschland. Der Staat steuerte 600.000 Euro bei.
Im November wird die Gebühr erstmals nicht mehr erhoben. Seine Aufhebung tritt in diesem Jahr in Kraft. Dies wird die politischen Debatten im Herbst neu entfachen.
Der französische Verfassungsrat billigt die Abschaffung der Rundfunkgebühren
Stefanie Markert, ARD Paris, 13. August 2022 23:00 Uhr