Bern brüskiert Rom: Die Schweiz will im Notfall Erdgas für Italien einsetzen

Die Nachbarländer der Schweiz haben ihre Gesetze zum Erdgasexport verschärft. Nun droht die Bundesregierung damit, Erdgas aus einer Transitleitung zwischen Deutschland und Italien für sich zu nutzen. 1/4 Gasstreit: Eine Gasanlage in Marina di Ravenna, Italien. (Dateibild) AFP / Alberto Pizzoli In einem „Extremszenario“ plant die Schweiz, Erdgas aus Deutschland nach Italien zu pumpen, das durch die Schweiz fließt. AFP / Alberto Pizzoli Das läuft nicht gut in Rom. AFP/Alain Julien

Die Energie geht zur Neige. Deshalb erwägt das Energiedepartement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, im Notfall Erdgas aus einer Transitleitung zwischen Deutschland und Italien anzuzapfen. Eine Klausel gibt der Schweiz das Recht dazu, aber die Idee kam in Rom nicht gut an.

Wenn Wladimir Putin den Erdgashahn zudreht, wird Europa in diesem Winter eine beispiellose Energiekrise erleben. Jetzt beginnt der Verteilungskampf: Italien und Deutschland haben gerade ihre Gasexportgesetze verschärft. Diese verbietet praktisch den Export in die Schweiz im Krisenfall. Erdgasimporte sind für die Schweiz besonders wichtig. Es verfügt über keinen eigenen Gasspeicher. Ihre einzige Sicherheit ist der Grenzübergang zwischen Deutschland und Italien. Deshalb wehren sich die Schweizer Behörden nun und drohen, Gas aus dieser Leitung für sich zu nutzen, auch wenn es für Italien bestimmt ist, wie die „SonntagsZeitung“ berichtet. Gemäss einer Klausel hat die Schweiz im Krisenfall das Recht dazu. Doch nun brennt es zwischen Italien und der Schweiz im Dachgeschoss: Die Drohung kam bei den Verhandlungen über ein Energie-Solidaritätsabkommen mit den Nachbarländern auf Ablehnung. Laut gut informierten Quellen der Zeitung reagierten die Italiener scharf. Eine Sprecherin von Energieministerin Simonetta Sommaruga sagt: „In dieser Situation betrachtet natürlich jedes Land die unterschiedlichsten Szenarien, auch Extremszenarien.“

Haltestelle Sommaruga

Die Angst vor einer winterlichen Energiekatastrophe ist so gross, dass Bundesrätin Simonetta Sommaruga nun eine höchst umstrittene Massnahme vorschlägt. Ihre Abteilung prüfe „jetzt auch den Einsatz von Dieselkraftwerken für extreme Notsituationen“, wie eine Sprecherin der „SonntagsZeitung“ bestätigte. Ein solches Kraftwerk steht Sommarugas Ziel einer schnellen Energiewende diametral entgegen. Denn Ölturbinen sind viel schmutziger als Gaskraftwerke, weil sie deutlich mehr CO2 ausstoßen. Andererseits könnte die Schweiz damit mögliche Stromengpässe im Winter verhindern oder zumindest abmildern. Denn im Winter wird es wohl genug Öl geben. Für den Bau eines neuen Kraftwerks wie diesem reicht die Zeit nicht aus. In Birr im Kanton Aargau gibt es aber bereits ein Versuchskraftwerk, das mit Öl betrieben werden kann. Es hat die gleiche Leistung wie das Kernkraftwerk Beznau 1. Allerdings benötigt es riesige Mengen an Öl. Allerdings sind Tanks vor Ort und Bahnlinien sorgen für Nachschub.

„Heizung in öffentlichen Gebäuden abstellen“

«Die Schweiz tut alles, um eine Verknappung zu verhindern», sagte Energieministerin Sommaruga im Gespräch mit «SonntagsBlick». „Wir müssen aufhören, Energie zu verschwenden. Das ist die Hauptbotschaft.” Das 15-Prozent-Einsparziel nach europäischem Vorbild bezeichnet er als „durchaus angemessen“. Sommaruga möchte, dass die öffentliche Verwaltung mit gutem Beispiel vorangeht: „Beim Heizen haben wir einen großen Hebel. Schon ein Grad weniger spart gut fünf Prozent Energie.“ Er wird sich im Bundesrat dafür einsetzen, die Heizung in öffentlichen Gebäuden zu reduzieren. (chk)