Millionen Liter Wasser müssen verdunstet werden, um das Lithium aus dem Untergrund der Salinen zu gewinnen. Die Folgen für das Ökosystem seien nicht absehbar, weil es dazu kaum unabhängige Studien gebe, kritisiert der Wirtschaftsgeograph Dorn von der Universität Innsbruck. Viele Forschungsarbeiten waren größtenteils das Ergebnis von Studien, die von den dort tätigen Bergbauunternehmen in Auftrag gegeben wurden. Das Gebiet ist seit Jahrhunderten von indigenen Gemeinschaften bewohnt. Ihre Lebensweise ist durch den intensiven Lithiumabbau der Unternehmen geprägt. Felix Dorn/Bajo La Sal Lithiumabbau im kleinen Maßstab wird von indigenen Gemeinschaften betrieben, wie Ariel Alancay erklärt
“Nein zu Lithium, ja zu Wasser und Leben”
In den Provinzen Jujuy, Salta und Catamarca in Argentinien leben indigene Gruppen hauptsächlich von Viehzucht und kleinbäuerlicher Subsistenzlandwirtschaft. Der enorme Wasserverbrauch, der durch den Lithium-Export der Bergbauunternehmen verursacht wird, trocknet die Weiden aus. Wanderwege sind unterbrochen. Mit dem Slogan „Nein zu Lithium, ja zu Wasser und Leben“ haben die Gemeinden von Salinas Grandes in den vergangenen Jahren zu Protesten aufgerufen. Doch hinter dem Stichwort Wasser steckt noch viel mehr, wie Dorn bei seinem Forschungsaufenthalt in Argentinien herausfand. Das sind Forderungen nach Vernunft und Selbstbestimmung. Gemeinsam mit Regisseur Emiliano Bazzani wurde der Dokumentarfilm „Bajo la sal“ (deutsch: „Unter dem Salz“) gedreht, der die Perspektive indigener Gemeinschaften beleuchtet.
Von der Regierung aufgegeben
Kritik aus indigenen Gemeinschaften richtet sich nicht nur an Unternehmen, sondern auch an die Regierung. Bergbauunternehmen genießen in Argentinien Steuervorteile. Auf den Umsatz müssen nur drei Prozent Mining-Gebühren gezahlt werden. Der Wasserverbrauch wird überhaupt nicht besteuert. „Was wir hier sehen, ist eine ungleiche Verteilung von Gewinnen einerseits und Umweltrisiken andererseits. Profite zugunsten internationaler Konzerne und Umweltrisiken zu Lasten indigener Gemeinschaften vor Ort“, resümiert Dorn. Die Regierung kann nicht vermitteln. Die Interessen des Unternehmens, durch den Lithium-Boom eine tragende Rolle in der Weltwirtschaft zu spielen, überwiegen. Das meiste Lithium wird jedoch für die Batterieproduktion nach Asien und Europa exportiert. Felix Dorn/Bajo La Sal Wirtschaftsgeograph Felix Dorn stellt grundlegende Fragen zur Elektromobilität
Aussehen auf dem Felsen
Lithium ist ein chemisches Element, das in der Natur nicht in reiner, metallischer Form vorkommt. Große Vorkommen gibt es zum Beispiel in Australien und China. Gestein ist im konventionellen Bergbau der Rohstoff, in dem Lithium in geringen Mengen in Mineralien enthalten ist. Dazu gehört das Mineral Spodumen mit einem Lithiumgehalt von einem bis maximal fünf Prozent. Lithium muss durch chemische Prozesse aus dem Mineralgestein entfernt werden, erklärt der Geologe Frank Melcher von der Montanuniversität Leoben. Das kann manchmal umständlich sein. In jedem Fall bleibt viel Material übrig, das entweder zurück in die Mine transportiert werden muss oder anderweitig, beispielsweise in der Bauindustrie, verwendet werden kann.
Das Lavanttaler Lithium
In Europa könnte sich die Kärntner Koralpe in den kommenden Jahren zu einem der bedeutendsten Bergbaugebiete entwickeln. Seit 2011 ist das Bergbaugelände einschließlich der Schürfrechte im Besitz der European Lithium Company. Dahinter steckt der australische Bergbaukonzern Global Strategic Metals. Untersuchungen, Testbohrungen und Machbarkeitsstudien sind im Gange. Technisch gesehen könnte European Lithium im Jahr 2024 mit dem Abbau beginnen. Laut European Lithium soll in der Gegend eine Anlage gebaut werden, um 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr weiterzuverarbeiten und zu produzieren. Felix Dorn/Bajo La Sal Yanina Flores aus Argentinien erzählt, wie ihre Felder durch den industriellen Lithiumabbau versiegen
Auch in Kärnten
Günther Vallant, Bürgermeister Frantschach/St. Gertraud (SPÖ), fordert angesichts der europäischen Lithiumabbaupläne auf der Koralpe eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Frank Melcher (Montanuni Leoben) schätzt die Umweltrisiken des Abbaus als gering ein, da Lithiumerz weder giftige Metalle noch Schwefel enthält. Eine UVP würde überhaupt nicht schaden. Der Transport großer Gesteinsmengen ins Tal führt jedoch zu einer massiven Staub- und Lärmbelastung. Dies könnte auch im Rahmen einer UVP geklärt werden. Man müsse über Alternativen zum Trucking nachdenken, zum Beispiel den Bau einer Seilbahn, ergänzt Melcher. Ob es eine UVP geben wird, bleibt abzuwarten. Da es derzeit kein konkretes Abbauprojekt für europäisches Lithium gebe, könne eine formelle UVP beim Land Kärnten nicht beantragt werden, so Vallant. Darüber hinaus ist die UVP nur für Betriebe mit einer Größe von mehr als zehn Hektar obligatorisch. Im vorliegenden Fall seien es 9,9 Hektar, sagt Vallant und kritisiert die Fokussierung auf solche Formalitäten durch die Behörden. Sehr wenig wird nach tatsächlichem Ermessen beurteilt.
Energiewende: Zwischen Ersatz und Reduktion
1991 führte Sony seine Lithium-Ionen-Akkus ein. Seitdem reißt die Nachfrage nicht ab. Neben Akkus für Handys und Laptops wird Lithium vor allem für den Ausbau der Elektromobilität verwendet. Die Global Battery Alliance rechnet mit einer Vervierzehnfachung der Batterieproduktion bis 2030. Lithium steht in direktem Zusammenhang mit der notwendigen Energie- und Mobilitätswende. Das E-Auto soll in den kommenden Jahrzehnten den Verbrennungsmotor ersetzen. Dies legitimiert den Lithiumabbau. Aus europäischer Sicht stellt sich die Frage, woher das Lithium kommen soll. Die Importquote in Europa liegt derzeit bei über 80 Prozent. Melcher glaubt, dass die Differenz durch Investitionen in Forschung und entsprechende Explorationsprojekte in Europa abgedeckt werden sollte, denn die Europäische Kommission versuche, die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Dass die Arbeiten an der Koralpe von australischen Schauspielern inszeniert werden, zeigt die Widersprüche des Lithium-Booms. Dorn hingegen stellt eine grundlegendere Frage. Die weitere Nutzung natürlicher Rohstoffe reicht seiner Meinung nach nicht aus, um die Energiewende sozial gerecht zu gestalten. Auch die strukturellen Probleme des Individualverkehrs werden dadurch nicht gelöst. Als Hauptverursacher der Klimakrise sollte der Globale Norden daher stärker über eine Reduzierung und Transformation des derzeitigen Wirtschaftsmodells nachdenken.