Auf den zweiten Blick sieht man aber die dicke Staubschicht, die sich bereits auf dem Parkplatz auf dem Jaguar niedergelassen hat: Der Flitzer wurde lange nicht bewegt, das Nummernschild entfernt. Die Wohnung wirkt verlassen. Kein Wunder: Boris H.* (50) sitzt im Gefängnis, seine Frau Viola H.* (†54) ist tot.

Er forschte über Toxine

Rückblende. Laut einem Bericht der «NZZ» hat sich der seit vielen Jahren verheiratete Boris H. erneut verliebt. Der schüchterne und introvertierte Berner soll zu schüchtern gewesen sein, seiner Frau Viola H. von seiner neuen Flamme zu erzählen und sie zu verlassen. Schon bald wollte H. mit seiner neuen Frau Urlaubspläne schmieden, doch seine unglückliche Ehe kam ihm in die Quere. Und er begann, die Wirkung von Toxinen zu erforschen. Eines Tages soll er große Mengen Gicht-Medikamente online bestellt haben. Es ist im Falle einer Überdosierung giftig. Es gibt kein Gegenmittel. Nebenwirkungen der Tabletten sind Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Perfekt für teuflisches Design. Er ging offenbar davon aus, dass niemand diese Symptome vermuten würde, schließlich hatte seine Frau eine Essstörung.

Verdacht auf häufige Magen-Darm-Erkrankung

Er pulverisierte die Tabletten und mischte sie am Morgen des 20. März 2021 in den Brei seiner Frau. Viola H. hatte kurz darauf mit Durchfall und Erbrechen zu kämpfen, doch das Krankenhaus schickte sie mit Verdacht auf eine gewöhnliche Magen-Darm-Erkrankung nach Hause. Am 22. März ging es dem 54-Jährigen immer noch nicht besser und er wurde erneut ins Krankenhaus eingeliefert. Zwei Tage später scheiterte ihre Freilassung. Multiples Organversagen. Viola H. starb im Krankenhaus.

Bisher hat er die Tat bestritten

Dann machte es Boris H. dem trauernden Witwer nach, wie die «NZZ» schreibt. Bis die Ergebnisse der Obduktion vorlagen. Der Berner wurde am 7. April festgenommen und sitzt seitdem hinter Gittern. Berichten zufolge bestreitet er die Tatsache. Erst Anfang März 2022 wurde die Öffentlichkeit endlich von der mutmasslichen Vergiftung in der Berner Vorstadt aufgedeckt, als die Staatsanwaltschaft die Anklage wegen Mordes verkündete. Der Prozess sollte an diesem Montag stattfinden. Das Bezirksgericht Bern-Mittelland teilte jedoch am Dienstag mit: «Bitte beachten Sie, dass diese Anhörung aufgrund des aktuellen Gesundheitszustands des Angeklagten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden muss.»

“Und er tat uns zuerst leid”

In der Nachbarschaft, in der das ehemalige Ehepaar einst lebte, weiß man nun mehr oder weniger, was in der mittleren Wohnung des frisch renovierten Bauernhauses passiert sein soll – die Verwirrung ist noch Monate später groß. “Und er tat uns zuerst leid, als wir vom Tod seiner Frau hörten”, sagt ein Anwohner gegenüber Blick. Der mutmaßliche Giftmischer und seine Frau waren in den Vororten fast bekannt. Die Wohnungen waren erst im November 2020 bezugsfertig und auch wegen Corona gab es in den Monaten vor dem Drama im März 2021 wenig Kontakt zwischen ihnen. Eine Nachbarin berichtet, nach dem unerwarteten Todesfall “viele zivile Einsatzkräfte” gesehen zu haben – eine andere Frau sagt, die Wohnung sei lange versiegelt gewesen. Was aus der neu renovierten Eigentumswohnung des Paares wird, ist noch offen.

Schock für die Arbeiter

Auch wenn es privat offenbar nicht so gut lief, standen die Berner finanziell mit beiden Beinen auf dem Boden. Er war CEO eines IT-Beratungsunternehmens. Der mutmassliche Mörder sei weder der Gründer noch der Eigentümer des Unternehmens, sondern lediglich als CEO tätig, teilte das Unternehmen Blick mit. Das Arbeitsverhältnis endete im Juni 2021. Zu den genauen Umständen und der Person will sich das Unternehmen nicht äußern. Nur so viel: Die Geschichte war eindeutig ein Schock für die Arbeiter. Der ehemalige CEO gilt bis zu einem rechtskräftigen Urteil als unschuldig. Ein neuer Verhandlungstermin steht noch nicht fest.

  • Namen wurden geändert